Matthias Hungerbühler - alles begann als junger Lover bei einem Speed-Dating
Matthias Hungerbühler spielte die Rolle des schüchternen Lehrers Ernst Ostertag grandios, der Kinofilm «Der Kreis» heimste bei seiner Weltpremiere an der 64. Berlinale zwei Auszeichnungen ein: den Teddy Award in der Kategorie Bester Dokumentar-/Essayfilm und den begehrten Panorama Publikums-Preis. Matthias spielt nicht einfach die ihm zugeschriebene Rolle, er schlüpft buchstäblich in sie hinein, er spielt sie nicht, er ist die Figur, das ist stark. Ernst Ostertag war Matthias' erste Hauptrolle in einem Spielfilm, sie machte ihn auf einen Schlag in der Szene bekannt. Matthias Hungerbühler wohnt im Seefeld, wir trafen ihn auf einen Espresso.
Die Freude am Schauspielern entdeckte Matthias mit sechzehn, als er mit einer Laiengruppe gleichaltriger Teenies in Oerlikon ein eigenes Theaterstück aufführte, in dem er einen jungen Lover bei einem Speed-Dating spielte. Seither faszinierte ihn die Schauspielerei. Später wirkte er in der Jugendgruppe U21 des Theater Neumarkt in weiteren Aufführungen mit. In einem Stück, der Havarie 2000, spielte er einen jungen Grafen bei einem Schiffsuntergang, unter seinen Mitspielern war er so etwas wie der junge Prinz. Es sei nicht in erster Linie das Gefühl auf der Bühne oder vor der Kamera zu stehen, was ihn ansporne, spannend sei es viel mehr, eine Person perfekt zu verkörpern, sie selbst zu sein. Bis so etwas gelinge, sei enorm viel Einfühlvermögen für einen Charakter, die Geschichte und die Welt, in der sie spielt, Voraussetzung. Dazu müsse man die Person, die man spiele, verstehen, wissen wie sie denkt, was sie fühlt, wie sie spricht, sich bewegt. Erst wenn die engsten Freunde ihn in einer Szene nicht mehr erkennen würden, sondern die Person sehen, die er spiele, dann sei es perfekt. Bevor Matthias Hungerbühler an der Universität der Künste Berlin in die Schauspielerschule aufgenommen wurde, studierte er an der Uni Zürich Publizistik und Soziologie.
Bildquelle: contrastfilm.ch
Begeistertes Publikum an der Berlinale 2014
Aus Schweizer Sicht war der Film «Der Kreis» das eigentliche Grossereignis der Berlinale 2014. Der Film erzählt die wahre Geschichte der Zürcher Untergrund-Organisation «Der Kreis», die in den Jahren von 1943 – 1967 für die Rechte von Schwulen kämpfte. Die Mischung aus Dok- und Spielfilm ist dem Schweizer Regisseur Stefan Haupt vollumfänglich gelungen. Haupt hat mit Sinn für stimmungsvolle Bilder, Rhythmus und Dramaturgie ein beachtenswertes cineastisches Zeitdokument geschaffen. Die beiden Hauptrollen spielen Matthias Hungerbühler und Sven Schelker souverän - eine Bereicherung für die Schweizer Filmszene.
Schwierige Rollen sind eine grosse Herausforderung
Für den Film «Der Kreis» sei er fünf Jahre vor Drehbeginn zum Casting eingeladen worden, erzählt Matthias Hungerbühler, das Drehbuch habe er zu diesem Zeitpunkt noch nicht gekannt. Als er es später erhielt, habe er sich intensiv in die Figur hineingelesen, sich auch mit den beiden realen Herren der Geschichte getroffen und besprochen, dies vor und während der Drehtage. Das habe ihm sehr geholfen, er habe viel gelernt und es sei ihm gelungen, anfänglich schier unmögliche Hindernisse zu überwinden. Zurzeit engagiert sich Hungerbühler für einen weiteren Schweizer Film. Darin spielt er die Rolle eines konservativen Politikers im Berner Vorstadtmilieu. Es sind die eher schwierigen Rollen, die Hungerbühler liebt, bei denen er mit Feingefühl Nuancen der Gestik und Sprache bis ins Detail beherrschen muss, damit die Rolle perfekt gespielt werden kann. Für eine gute Rolle müsse man vor allem an sich selber hart arbeiten, körperlich und geistig fit sein. Hungerbühler der selbst eine ganze Reihe Sportarten ausübt, darunter Kung-Fu und Tai Chi, könnte sich vorstellen, einen Extremsportler zu spielen. Ein Vorbild dafür sei für ihn Robert de Niro der sich für den Film Raging Bull über 15 Kilo anfuttern und gleichzeitig ein enorm extensives Sport- und Krafttraining absolvieren musste - eine Meisterleistung, die sich gelohnt habe.
www.matthiashungerbuehler.com
Text: Thomas Gysin
September 2015